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Wie Generative KI die Kommunikation verändert

October 31, 2024

Seit rund zwei Jahren mischt OpenAI den Markt auf. War Generative KI (GKI) bis dahin eher Insidern bekannt, wurde es durch ChatGPT zum beliebten Arbeitsinstrument der Allgemeinheit – auch der Kommunikationsabteilungen. Dies zeigt die Trendstudie des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft (IAM) eindrücklich auf. Die Autor:innen Nicole Rosenberger, Markus Niederhäuser und Katharina Krämer untersuchten, welche Tools wie eingesetzt werden und wo Kommunikationsverantwortliche die Chancen und Risiken sehen.

Wir haben die Mitautorin Katharina Krämer gefragt, was für sie die wichtigsten Erkenntnisse waren.

Die Studie zur digitalen Transformation der Kommunikation erscheint seit 2018 alle zwei Jahre. Welche Trends haben sich seit Beginn gehalten? Was hat sich verändert?

Durch den Rhythmus unserer Trendstudie erhalten wir tatsächlich alle zwei Jahre ein umfassendes Bild, wo Kommunikationsabteilungen bezüglich Digitalisierung und Automatisierung stehen, welche Themen der Digitalisierung sie in der Kommunikation mit internen und externen Stakeholdern fokussieren und welche Herausforderungen ihnen hier begegnen. Grundsätzlich zeigen unsere Ergebnisse sehr eindrücklich, dass die digitale Transformation eben kein klassischer Change-Prozess mit definiertem Anfang und Ende, sondern ein stetiger Prozess ist, dem sich Organisationen und ihre Kommunikationsabteilungen stellen müssen. Besonders deutlich wird dies, wenn wir auf die Beurteilung des digitalen Reifegrads der Kommunikationsabteilung schauen. Die CCOs haben diesen 2024 im Vergleich zu den letzten beiden Befragungen wieder eher tiefer eingeschätzt. Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder auch die breite Einführung von ChatGPT sorgen dafür, dass sich die Massstäbe hier immer wieder verschieben. Was gestern noch innovativ war, ist heute schon veraltet. Darüber hinaus lässt sich Folgendes feststellen:

• Das Corporate-Newsroom-Modell bleibt organisatorisch weiterhin die beliebteste Form.

• Automatisierung wird nicht nur in den bereits bewährten Anwendungsfeldern von Analytics und Content-Übersetzung, sondern zunehmend auch in Content-Erstellung und -Bearbeitung genutzt.

• Der Anteil der Organisationen, die ihre Mitarbeitenden aktiv für den Umgang mit Social Media befähigen, hat zugenommen.

• In der internen Kommunikation über die digitale Transformation hat das Thema Datenschutz weiter an Wichtigkeit gewonnen, während in der externen Kommunikation gerne über die Digitalstrategie geredet wird.

• Bei den wichtigsten Herausforderungen für die Kommunikationsverantwortlichen mit Blick auf die nächsten drei Jahre zeigt sich, dass im Vergleich zu den letzten beiden Studien der Fokus deutlich stärker auf die Evaluation und Einführung von neuen Technologien gelegt wird.

Inwiefern haben Tools wie ChatGPT die Kommunikationsabteilungen aufgemischt?

Man sieht anhand unserer aktuellen Studie klar, dass Generative Künstliche Intelligenz und damit Tools wie ChatGPT in den Kommunikationsabteilungen angekommen sind. Die Auswirkungen auf die Kommunikationsabteilungen und -Agenturen sind dabei immens. Bei den im April und Mai 2024 durchgeführten Erhebungen zeigt sich, dass immerhin ein Drittel der Kommunikationsabteilungen über die Experimentierphase hinaus ist und erste systematische Anwendungen mit GKI praktiziert. Nicht überraschend ist Texterstellung und -bearbeitung der Spitzenreiter, wobei auch mit Bildgeneratoren bereits eifrig gearbeitet wird. Betroffen ist aber die gesamte Wertschöpfungskette der Kommunikation: Von der Analyse und Recherche über Strategiefindung bis zur Massnahmenentwicklung lassen sich die Kommunikationsprofis in ihrer Arbeit von der KI unterstützen. Viele Unternehmen bauen an eigenen Lösungen, um ihre Daten zu schützen und um ihre Markenwelten mit den Ergebnissen zu verknüpfen.

Sind ChatGPT und Co. die Hauptsorge der Kommunikationschef:innen?

Ich weiss nicht, ob man von Hauptsorge sprechen kann, aber eins ist klar: das Thema GKI fordert die Kommunikationsverantwortlichen heraus. Sie sehen Chancen und Potenziale in der Nutzung von GKI, aber eben auch Risiken. In den Interviews wie auch in der Online-Befragung ist unbestritten, dass GKI zu deutlichen Effizienz- und Produktivitätssteigerungen führen wird, verbunden mit Kostenersparnissen. Ob die gewonnene Zeit für die Nutzung weiterer Chancen verwendet werden kann, zum Beispiel für das Erarbeiten von kreativen Lösungen, für besseres Targeting oder für Qualitätssteigerungen, hängt massgeblich davon ab, ob die durch die Effizienzsteigerung gewonnenen Ressourcen wirklich genutzt werden dürfen und nicht einfach weggespart werden. Kommunikationsverantwortliche stehen hier unter dem Druck, die eigenen Ressourcen zu verteidigen. Hierzu braucht es ein klares Argumentarium und eine Vorstellung, was GKI leisten und eben nicht leisten kann.

Ihr schreibt, dass die Kommunikationsabteilung im Umgang mit Generativer KI als leuchtendes Beispiel vorangehen sollte. Was ist damit gemeint?

Prinzipiell sind wir mit dieser Meinung nicht allein. In unserer Studie sind sich die befragten Expert:innen einig, dass die Kommunikation in der Nutzung der generativen KI als leuchtendes Beispiel vorangehen muss. Die Kommunikationsabteilungen sind dafür prädestiniert, weil die Nutzung von GKI hier eben schon sehr stark ausgeprägt ist. Gleichzeitig ist man sich auch der Risiken bewusst. Die Kommunikation kann hier unterschiedliche Rollen wahrnehmen: Sie kann ihre Erfahrungen intern teilen und damit inspirieren und motivieren (Vorreiter-Rolle). Sie kann gleichzeitig aber auch für einen sensitiven Umgang sensibilisieren und Themen wie Ethik und Fake News in die Organisation bringen (Sensibilisierer-Rolle). Sie kann andere Abteilungen beim Roll-Out von KI unterstützen (Supporter- und Berater-Rolle). Und sie kann eine wichtige Rolle bei internen Weiterbildungen spielen (Schulungsleiter-Rolle). Zu guter Letzt geht es darum, über neueste Tools und Richtlinien zu informieren und zu erklären, wie die Digitalstrategie und auch die Strategie der Organisation im Umgang mit KI aussieht (Kommunikator-Rolle).

Was empfiehlst du Unternehmen hinsichtlich der Verwendung von Generativer KI?

Auf Basis unserer Erkenntnisse aus der diesjährigen Studie haben wir eine sechsteilige Agenda zur Generativen KI entwickelt. Diese bietet Kommunikationsverantwortlichen konkrete Ansätze zur Weiterentwicklung in diesem Bereich. Wir sprechen dort u.a. auch das notwendige Upskilling der Kommunikationsmitarbeitenden an. Es müssen Kompetenzen aufgebaut werden, damit die Kommunikation tatsächlich die angesprochene Vorbildfunktion wahrnehmen kann. Generell empfehle ich Organisationen aktiv mit dem Thema umzugehen, weil mit der unreflektierten Nutzung von GKI eben auch Kommunikationsrisiken verbunden sind. Daher müssen alle Mitarbeitenden der Organisation für den Umgang mit GKI sensibilisiert und befähigt werden.

Herzlichen Dank für das Interview, Katharina!

Die Erkenntnisse der Studie werden in 18 Punkten zusammengefasst. Diese bieten eine wertvolle Handlungsanleitung für Kommunikationsverantwortliche. Die vollständige Studie gibt es hier zum Download.

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